Schöpflinareal

städtebaulicher und hochbaulicher Realisierungswettbewerb

Bauherr – Schöpflin Stiftung, Lörrach
Ort – Lörrach

Planungszeit – 2014

© by dörr & irrgang Architekten und Generalplaner GmbH

ENTWURFSIDEE

Städtebauliche Grundidee ist die Vernetzung: räumlich, funktional, sozial und ideell.

Die räumliche Vernetzung wird durch ein kleinteiliges Wegenetz im Quartier erreicht, welches zu direkten und kurzen Wegen führt und darüber hinaus markante Sichtachsen ausbildet. An die Schopfheimer Straße wird das neue Quartier an zwei Stellen fußläufig angebunden, sodass der Bahnhofsbereich und das geplante Forum auch aus östlicher Richtung direkt erreichbar sind. Ebenfalls durch Fußwege verbunden wird das Bestandsgelände der Schöpflin-Stiftung mit der südlichen Gewerbehalle, die perspektivisch durch Kleinkunst oder Kunstgewerbe genutzt werden soll. Die Franz-Ehret-Straße bildet den Brückenschlag zwischen Hauingen und Brombach und wird durch die Gliederung in Abschnitte und eine alleeartige Begrünung gestalterisch aufgewertet.

Das Forum stellt als öffentlich bespielter Platz zusammen mit den umlagernden Gemeinschaftseinrichtungen (Sporthalle, Vereinsräume, Galerie, geplanter Werkraum, Schöpflin-Villa und bestehender Werkraum) das kommunikative Zentrum dar. Zusammen mit den in Fortführung des bestehenden Schöpflin-Parks geplanten Freiflächen entsteht eine großzügige Raumwirkung, die die Perspektive in alle Richtungen öffnet.

Das differenzierte Wegenetz bildet auch die Grundlage für die (funktionale) räumliche Vernetzung zwischen bestehendem Schöpflin-Areal und gewerblicher Nutzung, zwischen dem geplanten Forum und dem gestalterisch aufgewerteten Biergarten an der Schopfheimer Straße sowie zwischen der geplanten Wohnbebauung und den bestehenden und geplanten Gemeinschaftseinrichtungen.

Nicht zuletzt soll die innovative städtebauliche Struktur auch die Interaktion der künftigen Quartiersbewohner untereinander, der Nutzer der Gemeinschaftseinrichtungen und der Kleingewerbetreibenden fördern. Durch den hohen Anteil an öffentlichen Freiflächen werden Begegnungsräume angeboten, die zum Verweilen und zum Austausch einladen. Gleichzeitig sind jedem Wohngebäude individuell nutzbare Außenwohnbereiche zugeordnet, um dem Wunsch nach (einer gewissen) Privatsphäre gerecht zu werden.

Durch die harmonische Gestaltung sowohl der geplanten Wohngebäude als auch der Gemeinschaftsnutzungen und der Sporthalle entsteht ein Quartier mit einem hohen Identifikationsfaktor, der auch das Gemeinschaftsgefühl unter den Bewohnern und Nutzern des Gebietes stärkt.

ERSCHLIESSUNG

Ziel der verkehrlichen Erschließung ist, das künftige Wohnquartier weitgehend autofrei zu belassen, um eine hohe Aufenthaltsqualität zu gewährleisten. Dies wird durch zwei Tiefgaragen erreicht, die zum Einen direkt von der Franz-Ehret-Straße und zum Anderen von Norden über die Anlieferzone erschlossen werden. Beide Tiefgaragen sind so angeordnet, dass ein Großteil der Wohngebäude direkt angeschlossen werden kann und eine Tiefgaragenerweiterung möglich ist, die beide Garagen verbinden könnte.

Neben der unterirdischen Erschließung wird das Gebiet durch eine Verbindung zwischen Franz-Ehret-Straße und der östlichen Sporthallenseite erschlossen, die jedoch Anliegern und der Ver- und Entsorgung (Post, Müll etc.) vorbehalten bleibt.

Öffentliche Stellplätze werden ausschließlich entlang der Bahnlinie und auf der Ostseite der Franz-Ehret-Straße angeboten. Östlich der Sporthalle sind zudem Stellplätze für Car-Sharing und für mobilitätseingeschränkte Besucher der Sporthalle vorgesehen. Auf dem Forum befindet sich direkt gegenüber des Werkraums die erforderliche Elternvorfahrt.

Der Bahnhofsvorplatz wird gestalterisch aufgewertet und der bestehende Kiosk durch ein überspannendes Dach ergänzt. Unter diesem sind die erforderlichen Fahrradstellplätze untergebracht. Zudem dient der Bereich als Wartezone sowohl für die beiden Bushaltestellen als auch für Bahnreisende.

Die Franz-Ehret-Straße soll für alle Verkehrsteilnehmer eine attraktive Verbindung darstellen. Daher wurden 2 m breite Gehwege, Grünstreifen und Fahrrad-Schutzstreifen vorgesehen. Die rhythmische Gliederung des linearen Straßenverlaufs durch die konzentrierten Baumpflanzungen und die Bereiche ohne Bäume vor der Schöpflin-Villa und dem Forum erhöht die Aufenthaltsqualität und vermindert die Geschwindigkeiten.

Durch das kleinteilige Wegenetz im Quartier wird insbesondere für Radfahrer und Fußgänger eine außergewöhnlich hohe Qualität erzielt. Alle wichtigen Punkte innerhalb und außerhalb des Quartiers sind ohne Umwege erreichbar. Die Überwindung der Geländeunterschiede zwischen Hoch- und Tiefgestade wurden zudem barrierefrei vorgesehen.

FREIANLAGEN

Die zukünftige Bebauung liegt eingebettet in einem netzartig verflochtenem Parkraum. Die  in dieser Struktur liegenden Baufelder werden durch Hecken gerahmt, die privat nutzbaren Freiflächen sind dadurch von den öffentlichen Freiräumen abgegrenzt.
Der Schwerpunkt der öffentlichen Nutzung liegt im Bereich der sich aufweitenden und verengenden Freiflächen von Süden (Gastronomie Biergarten) nach Norden (Forum mit Sporthalle) einerseits, sowie von Westen (Schöpflin Villa) nach Osten (Fabrikgebäude mit zukünftiger Ateliernutzung) andererseits. Durch diese Verengungen und Aufweitungen entstehen spannende Blickbeziehungen, die räumliche Tiefe des Parks wird perspektivisch verstärkt.
Auf mehrere unterschiedliche Beläge der befestigten Bereiche wird zugunsten des zusammenhängenden Gesamteindrucks bewusst verzichtet. Der Freibereich um die Sporthalle sowie die Wege im Park erhalten einen einheitlichen Belag aus veredeltem Asphalt. Die Oberfläche erhält eine aufhellende Einstreudecke, die geschliffen wird. Die Wegeeinfassung erfolgt aus Stahlkanten.
Durch das Wegenetz entstehen innerhalb des Parks grüne Inseln, die thematisch individuell bespielt werden können. So entsteht im Westen als malerischer Parkauftakt eine Streuobstwiese, locker unter den Apfelbäumen verteilte Bänke laden zum Verweilen ein. In östlicher Fortsetzung entsteht ein Spielplatz im Herzen der Wohnanlage. Schließlich weitet sich der Raum wieder auf, man erreicht an den ehemaligen Werkhallen der Schöpflinfabrik ein Forum für die zukünftig hier ansässigen Ateliers für Ausstellungen und vieles mehr.
Blickt man von Süden aus dem zukünftigen Biergarten in Richtung Schöpflinforum, dann schweift der Blick über eine offene Spielwiese.
Alle diese Bereiche besitzen individuell ausformulierte Charaktere ohne jedoch den Eindruck eines zusammenhängenden großzügigen artifiziellen Parks zu beeinträchtigen.

GESTALTERISCHE UNVERWECHSELBARKEIT DES WOHNQUARTIERS

Das Quartier besticht durch seine Vielfalt an Typologien in einem dennoch klar an geraden Achsen sortierten Grundraster. Eine aktuelle Architektursprache und die großzügigen Außenräume der Wohnungen sind das Bindeglied zwischen innen und außen.

Der Wechsel aus Dichte und Weite lockert die Bebauung in der Mitte des Quartiers auf.

GEBÄUDESTRUKTUR – SPORTHALLE

Zur Reduktion des städtebaulich wirksamen Hallenvolumens wurde die Halle um 1 Geschoss abgesenkt. Das Foyer ist das öffentlich genutzte Bindeglied zwischen Zuschauertribüne, Infrastruktur, den Räumen des Gemeinbedarfs und verbindet gebäudeintern die Zugänge zur Bahn und zum Forum. Im Untergeschoss sind die Garderobenbereiche sowie die Technikflächen angeordnet. Ostseitig schließt die Halle das Quartiers-BHKW an.

GEBÄUDESTRUKTUR –  WOHNEN

Das Quartier bietet eine Bandbreite an Grundrisstypologien, wie dem Durchwohner, dem zentralen Wohnen, kleine Lofts und Maisonettwohnungen: Familien, Single und Wohngruppen. Dieser Wechsel von  Wohnungstypen verspricht eine hohe Durchmischung an unterschiedlichen Nutzern und damit die soziale Nachhaltigkeit des Quartiers.

FLÄCHENVERBRAUCH, WIRTSCHAFTLICHKEIT UND ABSCHNITTSWEISE REALISIERBARKEIT

Durch die Wahl der Geschossigkeit werden eine aufgelockerte Bebauung des Quartiers und gut proportionierte Weg- und Aufenthaltsräume geschaffen.

Die Bebauung kann entlang des gewählten Wegessystems abschnittsweise realisiert werden, da Gebäude, Tiefgaragen und Versickerungsflächen in Clustern zusammenhängen.

MATERIALIEN

Bewusst sollen im Schöpflinareal für die Halle und Wohnbauten ausschließlich natürliche Materialien verwendet werden, die gesundheitlich, ökologisch und sozialökonomisch, da regional, verwendet werden. Eine Grundtragstruktur aus sichtbar gehaltenem Stahlbeton wird durch Elementwände ergänzt, um mit der aktivierbaren Masse des Betons die nötige Speichermasse aktivieren zu können und gleichzeitig über hölzerne Außenwände möglichst viele regionale, nachwachsende Baustoffe zu verwenden.

Zur Isolierung, Kühlung im Sommer und zur Regenwasserrückhaltung erhalten alle Gebäude begrünte Dächer. Die Gebäude erhalten partiell flach liegende Vakuunwarmwasserkollektoren, die Sporthalle zusätzlich eine großflächige PV-Anlage.

ENERGIEKONZEPT – SPORTHALLE

Das Konzept beruht auf der Addition kleinerer Maßnahmen, die  in der Summe und in ihrer Einfachheit die Unterhaltskosten erheblich reduzieren:

Das neue Gebäude wird an ein Nahwärmenetz des östlich an die Halle grenzenden BHKWs angeschlossen. Die Raumheizungsanlage für die Dreifachturnhalle ist mit einer Bodenheizung ausgestattet. Das Niedertemperatursystem reduziert den Einsatz von Primärenergie deutlich. Alle übrigen Räume wie Garderoben sind mit einer statischen Heizung konzipiert. Zusätzlich zur Fernheizung wird im Sommer das Duschwasser über eine thermische Solaranlage bereitgestellt. Die Außenluft wird über die begrünten Dachflächen angesaugt und durch Kanäle in den Betondecken ins Gebäude transportiert. Dadurch wird im Sommer die Außenluft vorgekühlt, im Winter vorgewärmt. Das Lüftungsgerät wird mit einem hocheffizienten Doppelplatten-Wärmetauscher ausgestattet. Im Winter wird darüber die Wärme aus der Raumabluft auf die Außenluft übertragen. Über seitliche Weitwurfdüsen gelangt die Frischluft in die Hallenmitte und wird über Schattenfugen unter den Tribünen und in die Geräteräume abgesaugt. Durch diese Orientierung des Luftstroms kann das zu konditionierende Hallenvolumen auf ein Drittel reduziert werden. Zum Ablüften großer Wärmelasten und für die sommerliche Nachtspülung wird die Halle am Dachrand passiv entlüftet. Die Garderoben, Duschen und die Küche werden separat gelüftet, um den jeweils optimalen bzw. geringst nötigen Luftwechsel zu haben.

ENERGIEKONZEPT UND ÖKOLOGIE – WOHNEN

Wesentlicher Aspekt der Entwicklung und Planung eines ganzheitlichen Gebäude- und Energiekonzepts ist es, bereits durch zahlreiche passive Maßnamen den technischen Aufwand und damit verbunden auch der Energiebedarf für Strom, Heizung, Kühlung und Lüftung auf ein Minimum zu reduzieren.

Übergeordnetes Ziel dabei ist es, durch eine hohe Qualität an visuellem, akustischem und thermischen Komfort eine hohe Attraktivität für die zukünftigen Nutzern zu bieten. Angestrebt ist, diesen Anspruch durch eine weitgehende Nutzung der natürlichen Ressourcen des Außenraums zu erreichen. Wesentliche Leitgedanken der Planung sind:

  • ressourcenschonende Bauweise
  • Einsatz umweltschonender Baustoffe
  • Einsatz umweltverträglicher Technologien
  • niedrige Betriebs- und Unterhaltskosten

Diese Grundsätze führen zu einem Bündel an Maßnahmen und Konzepten, die individuell oder in Kombination eingesetzt, dem Anspruch des ökologischen und ökonomischen Städtebaus unter Berücksichtigung der jeweiligen Gebäudetypologie gerecht werden.

ÖKONOMISCHE QUALITÄT

Der Baukörper sowie Tragwerk und thermische Hülle des Gebäudes sind trotz der fehlenden äußeren Rechtwinkligkeit bewusst im Inneren klar gehalten. Die unter ökologischer Qualität beschriebenen Maßnahmen zur Minimierung des baulichen Aufwands führen gleichzeitig zu einer Erhöhung der ökonomischen Effizienz.

Ziele:

  1. Energiesparende und zukunftsweisende Bauweise
  2. Investitionsminimierung bei der Umsetzung
  3. Optimierung der Behaglichkeit bezüglich thermische Qualität, Luftqualität und Lärm

Maßnahmen zur Minimierung des Primärenergiebedarfs sind je nach Gebäudestandard:

  1. optimierter Dämmstandard
  2. Wärmeschutzverglasung (U-Wert 0,9-1,0 W/m²K)
  3. Nutzung solarer Gewinne und Versorgung mit Tageslicht durch Vermeidung gegenseitiger Verschattung
  4. Natürliche kontrollierte dezentrale Lüftung
  5. Optimierte Tageslichtversorgung
  6. Ökologische Materialauswahl
  7. Regenerative Energiequellen (optional Geothermie (Erdreich), Nachtluft, Holz, solare Brauchwassererwärmung, Photovoltaik)

Diese Maßnahmen führen synergetisch zu einem hohen thermischen Komfort bei gleichzeitig geringem Energiebedarf der Gebäude.

Durch die Umsetzung eines ganzheitlichen Konzepts erzielt man mit einem Minimum an technischer Gebäudeausrüstung ein Maximum an thermischem und visuellem Komfort. Gleichzeitig werden Investitions- und Betriebskosten reduziert. Es wurde versucht, in einem hohen Maße ein Gebäude mit einem minimalen Energie- und Ressourcenverbrauch zu planen.

FAZIT

Private Rückzugsbereiche und nachbarschaftlicher Interaktion der Netzstruktur halten das Quartier sowohl in sich, als auch in seine Umgebung hinein vital, privat lebendig und beruflich schöpferisch.

Dies ist die Basis für einen nachhaltigen Städtebau.